
18.09.2023 | 100 Jahre KATAG - dieses besondere Ereignis feiert in diesem Jahr der in Bielefeld ansässige Modeverbund. Inspriert und angetrieben vom Firmenslogan The Fashion People setzt die KATAG AG auf partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Seiten der Modeindustrie und des Modehandels. Themen wie Nachhaltigkeit, Belebung der Innenstädte oder Kundenmanagement werden hier großgeschrieben. So auch im Juni dieses Jahres, als zur 68. Ausgabe der KATAG-Cheftagung geladen wurde. Neben dem besonderen Jubiläum wurden Sujets der aktuellen Mode- und Handelslandschaft, wie unter anderem die Insolvenzwelle, thematisiert. Wir baten Dr. Daniel Terberger, Vorstand der KATAG AG, im Rahmen eines Gastbeitrags für die TM-Ausgabe 4/2023 seine Sicht der Dinge zu den aktuellen Marktgeschehnissen zu erläutern.
Gastkommentar: Dr. Daniel Terberger
In den letzten fünf Jahren hat sich gezeigt, zu was die Modebranche – trotz eines fehlenden Resonanzbodens in Berlin – fähig ist. Wir haben gelernt zusammenzustehen und konnten Resilienzen entwickeln, die uns gestärkt haben. Sorge bereitet mir aktuell mehr die Breite des Schlachtfeldes. Zu den bereits bekannten Themenfeldern wie Bürokratieaufbau, Zugangsbeschränkungen zu Kapitalmärkten, Schwächung des Mittelstands, Schrumpfung der Kaufkraft etc. sind aktuelle Themen wie eine einseitige Interpretation von Nachhaltigkeit im Sinne von ökologischer Nachhaltigkeit und dem Verfall der Kaufkraft durch Inflation hinzugekommen. Die Liste ließe sich leider noch um mindestens ein Dutzend weiterer relevanter Aspekte ergänzen, die unser Geschäft nicht gerade erleichtern, um es mal wohlwollend auszudrücken.
Auf der anderen Seite hat uns der Liquiditätszufluss aus der Überbrückungshilfe dabei geholfen, Existenzen zu sichern, die über Jahrzehnte erfolgreich aufgebaut wurden. Dafür sollten wir dankbar sein! Aber nach dem Spiel ist bekanntlich vor dem Spiel. Wenn wir also über die Zukunft unserer Branche nachdenken, gibt es zahlreiche Parameter, auf die wir mehr oder weniger Einfluss nehmen können. Das politische Ohr unterliegt einem Kurzzeitgedächtnis. Da haben wir in der Tat nur wenig Einfluss und sollten nicht erwarten, dass es beim nächsten Lockdown oder Cyberangriff eine ähnliche Form von Support geben wird. Ich plädiere eher dafür, unsere Zeit und Energie darauf zu verwenden, unser Mindset und Handeln den Veränderungen in der Gesellschaft und den makroökonomischen Rahmenbedingungen auf dem Globus anzupassen.
Viele Unternehmen haben großen Erfolg mit ihrer kundenorientierten Kultur und sehr individuellen Konzepten. Unternehmen wie Fussl Modestraße in Österreich, Frey in Cham oder Lodenfrey in München, wie Garhammer in Waldkirchen, Leffers in Oldenburg oder Peters im Schwarzwald sind sehr, sehr unterschiedlich in ihrer Ausrichtung, aber alle haben eine extreme Passion für ihre Kund:innen, ihre Heimat, ihre Mode und ihre Mitarbeiter:innen.
Am Ende entsteht aus der Vielzahl herausragender stationärer und digitaler Vertriebskonzepte Druck auf alle anderen Formate, die ‚mitschwimmen‘ und sich auf zu vielen Kriegsschauplätzen tummeln. Ein bisschen E-Commerce oder ein bisschen Erlebnis oder ein bisschen Beratung funktioniert eben nicht. Wer sich diesem komplexen Wettbewerb stellt und sich mit Engagement und Herzblut den Kund:innen zuwendet, wird – und davon bin ich wirklich zutiefst überzeugt – die Früchte seiner Arbeit ernten. Die Mode bietet doch beispielsweise im Hinblick auf das 1:1-Kundenmanagement eine scheinbar unerschöpfliche Spielwiese der Kundenbindung und -begeisterung. Wenn wir es ferner schaffen, unsere Stellung als Platzhirsch am Ort durch lokale Aktivitäten und lokale Vernetzung zu festigen, haben wir bereits viel erreicht. Auch mit Blick auf die Gestaltung unserer Innenstädte ist dies ein zentrales Thema, welches nur gemeinsam angegangen werden kann.
Zum anderen müssen wir nüchtern feststellen, dass Vermieter:innen über Nutzungsänderungen von Gewerbeflächen nachdenken, dass unsere Gesellschaft weniger Kaufkraft hat und nachhaltiger konsumieren möchte und dass immer mehr Unternehmen unter das vermeintlich rettende Dach eines Schutzschirmverfahrens schlüpfen und, ich sage es voraus, schlüpfen werden. Ich spreche und diskutiere deshalb mit unseren Partner:innen oft über das neue ‚Normal‘. Darüber, dass Veränderungen und Krise Teil unseres Lebens sind und wir den von außen oktroyierten Rahmen annehmen sollten – jeden Tag. Ich bin gespannt, ob es uns gelingen wird, mit dem Wissen um unsere Stärken die Veränderungen als Chance zu begreifen, denn davon gibt es wirklich viele für uns im Mittelstand!
Bild: Dr. Daniel Terberger / © KATAG AG