
27.01.2022 | Was sagt Ihnen eigentlich Ihr Instinkt? Und wann haben Sie zuletzt auf ihn gehört, zwischen den zahlreichen Vernunftentscheidungen, gefällt in der besten Absicht, die Folgen der Pandemie einzudämmen?
Ich möchte Ihnen zu Beginn dieser Ausgabe keine Prognosen, Statistiken und Analysen vorlegen. Die finden Sie auf den nachfolgenden Seiten. Schalten Sie hier zunächst einmal für einen Moment Ihre Vernunft aus und lassen Sie pure, intuitive Zuversicht auf sich wirken. Schauen Sie auf Ihre Leistungen der vergangenen zwei Jahre mit Stolz zurück – und schöpfen Sie daraus neuen Kampfgeist. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist keine leichte Aufgabe. Auch ich suche ständig nach der Optimismus-Nadel im Corona-Heuhaufen. Zwischendurch hatte ich sie gefunden. Irgendwann im Laufe des letzten Sommers. Zumindest dachte ich es.
Sie erinnern sich vielleicht: In Ausgabe 05/2021 hatte ich meine Zuversicht in die Zukunft offen mit Ihnen geteilt. Womöglich war es der Aufschwung nach dem Frühjahrs-Lockdown, der mich dazu trieb, oder schlicht die Hoffnung auf eine ausreichende 80-Prozent-Impfquote. Es dauerte jedenfalls nicht lange, bis ich eines Besseren belehrt wurde und sogar kurzfristig fast den Glauben an unsere Gesellschaft verlor. Und dennoch: Das vierte Quartal 2021 hat meines Erachtens Wege aufgezeigt, die zwar nicht bequem, aber gangbar scheinen. Die mentale Neuausrichtung, die dahintersteht und von der ich hier spreche, zeichnet sich immer deutlicher ab. Wir gehen zwar immer noch gegen den Wind, treffen aber schnellere, wenn auch teils ungewohnte Entscheidungen. Wir sind wachsamer, trotz Corona-Erschöpfung, behalten sogar einst tote Winkel neuerdings im Blick und geben uns flexibler als je zuvor. Und vergessen wir bitte nicht: Die gesamte Modeindustrie befindet sich immer noch im Umbruch. Schließlich verändert sich die Gesellschaft und mit ihr auch der Lifestyle. Trends werden von einem Verbraucher:innenverhalten geprägt, das uns teils fremd und vielleicht sogar manchmal nicht nachvollziehbar erscheinen mag, je nach Blickwinkel und Empathielevel. Auf der anderen Seite ist da die anhaltende Tendenz zu Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Inklusion, und hier macht der Zeitgeist wirklich Mut.
Ich möchte Sie nicht dazu anhalten, die Augen vor dem Gestern, Heute und Morgen zu verschließen, aber ich wünsche mir für uns alle, dass wir uns auf unsere Leidenschaften zurückbesinnen und Hoffnung statt Enttäuschung walten lassen.
Cheryll Mühlen
Chefredakteurin der TM TextilMitteilungen