Modebranche in Gefahr? Wie sich die Klimakrise auf Produktionsländer auswirkt
Fast eine Million Arbeitsplätze weniger in nur sechs Jahren: So groß könnten einer Studie zufolge die Auswirkungen des Klimawandels auf wichtige Produktionsländer der Modeindustrie sein. Wie sollte die Branche mit den Risiken für Standorte wie Bangladesch, Kambodscha, Pakistan und Vietnam umgehen?
Take-Aways:
- Eine Studie der Cornell University zeigt, dass durch den Klimawandel bis 2030 allein in Bangladesch, Kambodscha, Pakistan und Vietnam Exporteinnahmen in Höhe von 65 Milliarden US-Dollar verloren gehen könnten – ein Rückgang von 22 Prozent. Dies hätte den Verlust von fast einer Million neuer Arbeitsplätze zur Folge. Noch alarmierender sind die Prognosen für das Jahr 2050: Ohne Anpassungsmaßnahmen könnten die Einnahmen um 68,8 Prozent und die Beschäftigung um 34,5 Prozent sinken sowie 8,64 Millionen Arbeitsplätze wegfallen.
- Direkte Folgen der Klimakrise für die Bekleidungsindustrie umfassen gesundheitliche Risiken für Arbeite:innen durch extreme Hitze sowie Schäden an Produktionsstätten durch Überschwemmungen. Indirekte Folgen sind Unterbrechungen der Lieferketten, Produktionsausfälle, erhöhte Produktionskosten, höhere Endpreise und eine beeinträchtigte Marktwettbewerbsfähigkeit.
- Laut Prognosen der Initiative Cotton 2040 steht auch die Baumwollproduktion vor erheblichen Herausforderungen durch den Klimawandel. Bis 2040 sagen sie verkürzte Anbauperioden und Dürren vorher, die die Hälfte der globalen Ernte betreffen könnten. Diese Veränderungen bedrohen die Lebensgrundlage von Millionen von Baumwolllandwirt:innen weltweit und machen die Baumwollpreise zunehmend volatil. Anpassungsmaßnahmen für Bäuer:innen sind essentiell, um die Zukunft der Baumwollindustrie zu sichern.
Die Klimakrise wirkt sich bereits jetzt spürbar auf die Bekleidungsindustrie in Produktionsländern aus. In Bangladesch, einem der größten Exportländer für Bekleidung weltweit, könnten laut Schätzungen der Weltbank 13 Millionen Bangladescher:innen bis 2050 zu Binnenmigrant:innen werden. Dies könnte das Land bis zu vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts kosten. Der Klimawandel hat die Häufigkeit und Schwere von Überschwemmungen erhöht, was regelmäßig zu Produktionsausfällen in Fabriken führt. 2023 etwa setzte eine Flut weite Teile des Landes unter Wasser, was zur Unterbrechung der Produktion in Textilfabriken und zu Lieferverzögerungen führte. Dadurch war die Lebensgrundlage tausender Textilarbeiter:innen bedroht.
Kambodscha, ein weiteres wichtiges Produktionsland für Textilien, leidet zunehmend unter extremen Hitzewellen. Im Jahr 2019 mussten mehrere Fabriken in Phnom Penh ihre Arbeitszeiten ändern, da sie wegen hoher Temperaturen nicht mehr in der Mittagszeit arbeiten konnten oder gar durften. Die Textil- und Bekleidungsindustrie Pakistans, bekannt für ihre Baumwollprodukte, ist wiederum von Wasserknappheit betroffen, die der Klimawandel verschärft. Wasserknappheit beeinträchtigt die Baumwollproduktion und die Färbeprozesse in der Textilherstellung. In der Region Punjab hat Wasserknappheit bereits zu Produktionsverzögerungen und steigenden Kosten für die Wasserbeschaffung geführt.
Eine Studie zeigt die Konsequenzen der Klimakrise
Eine aktuelle Studie der Cornell University hat gegenwärtige und zukünftige Risiken von extremer Hitze und Überschwemmungen in einigen der weltweit am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder für Textilarbeiter*innen, Lieferanten, Modemarken und Investor:innen untersucht. Das Ergebnis: Vier Länder, die zusammen 18 Prozent der weltweiten Bekleidungsexporte ausmachen – nämlich Bangladesch, Kambodscha, Pakistan und Vietnam – stehen vor der Gefahr, im Jahr 2030 Exporteinnahmen in Höhe von 65 Milliarden US-Dollar zu verlieren. Dies würde einen Rückgang von 22 Prozent bedeuten und könnte zur Folge haben, dass fast eine Million neue Arbeitsplätze nicht geschaffen werden können. Für das Jahr 2050 sehen die Prognosen noch düsterer aus: Sollten keine Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel getroffen werden, könnten die Einnahmen um 68,8 Prozent einbrechen und die Beschäftigung um 34,5 Prozent sinken, was einem Verlust von 8,64 Millionen Arbeitsplätzen entspräche.
Die von der Cornell University erstellten Klimamodelle deuten darauf hin, dass extreme Wetterereignisse in den kommenden Jahren zunehmen werden. Methoden, die der Produktion auch unter veränderten Klimabedingungen standhalten, werden also immer wichtiger, um die globalen Lieferketten der Bekleidungsindustrie abzusichern und die Existenzgrundlagen von Millionen Beschäftigten in dieser Branche zu schützen. Die Analyse der Auswirkungen der Klimakrise auf die Bekleidungsproduktion für die Jahre 2030 und 2050 zeigt, dass schnell und langfristig gehandelt werden muss.
Direkte Auswirkungen auf Produktionsländer
In Produktionszentren in subtropischen und tropischen Regionen beeinträchtigt extreme Hitze die Arbeitsfähigkeit. Die Analyse der Cornell University zeigt einen dramatischen Anstieg der Tage, an denen es aufgrund von Temperaturen von über 30,5 Grad zu Arbeitsunterbrechungen kommt. In einigen Regionen könnte dies bedeuten, dass die traditionelle Bekleidungsproduktion während bestimmter Zeiten des Jahres zukünftig nicht mehr möglich ist. Extreme Hitze stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Textilbeschäftigte dar. Arbeiter:innen sind oft langen Arbeitszeiten überfüllten Fabriken ausgesetzt, in denen die Hitzebelastung zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen kann.
„Stellt euch vor, ihr arbeitet lange Stunden in einer schlecht belüfteten Textilfabrik, während draußen die Temperaturen über 40 Grad Celsius steigen“, schreibt AKM Nasim auf Anfrage zur Situation vor Ort. Nasim ist Landesprogrammdirektor beim Solidarity Center in Bangladesch, einer US-amerikanischen internationalen Organisation für Arbeitnehmer:innenrechte. Sie setzt sich unter anderem für sichere und gesunde Arbeitsplätze sowie für existenzsichernde Löhne ein. Auch Klimagerechtigkeit am Arbeitsplatz ist eine der Prioritäten. Nasim fährt fort: „Ihr habt keine Gewerkschaft, also fürchtet ihr, entlassen zu werden, wenn ihr euren Vorgesetzten um einen Ventilator, eine Pause oder gar sauberes Trinkwasser zum Abkühlen bittet. Gleichzeitig sind eure Löhne so niedrig, dass ihr kein Geld sparen könnt, um mit den immer häufiger werdenden und schwereren wirtschaftlichen Schocks durch den Klimawandel zurechtzukommen. Das ist die Realität für Millionen von Textilbeschäftigten in Bangladesch.“
Das Solidarity Center ist der Überzeugung, dass besonders klimabetroffene Arbeiter:innen und ihre Gewerkschaften bei Entscheidungen, wie die Modeindustrie auf die Klimakrise reagiert, mitreden müssen. Sie sollten sowohl in Betrieben bei Tarifverhandlungen, als auch in nationalen politischen Debatten und durch weltweite Kampagnen eine starke Stimme haben. Auch Überschwemmungen stellen eine große Gefahr dar. Sie entstehen einerseits aus über die Ufer tretenden Flüssen und andererseits durch starke Regenfälle. Zusätzlich können Sturmfluten in Küstengebieten die Situation verschärfen, indem sie zu direkten Schäden an Gebäuden und Maschinen führen, was wiederum Produktionsstillstände nach sich zieht.
Viele Arbeiter:innen leben zudem in Gebieten, die anfällig für Überschwemmungen sind – oft in unzureichenden Wohnverhältnissen. In extremen Fällen führen Überschwemmungen zur Verdrängung ganzer Gemeinschaften. Die Suche nach sicherem Wohnraum und Arbeit zwingt viele dazu, zu migrieren, was die soziale und wirtschaftliche Instabilität in den betroffenen Regionen weiter verschärft. Bangladesch ist eines der am tiefsten gelegenen Länder der Welt. „In Dhaka liegen beispielsweise 20 Prozent der Fabriken weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel oder in unmittelbarer Nähe eines Flusses”, erklärt Amira Jehia, Co-Gründerin von Drip by Drip e.V, einer NGO, die sich auf die Reduzierung des Wasserverbrauchs und die Verbesserung des Wassermanagements in der Textilindustrie konzentriert.
In den ländlichen Regionen, so Jehia, würden sowohl Überschwemmungen als auch die Versalzung durch den steigenden Meeresspiegel der Bevölkerung die landwirtschaftliche Lebensgrundlage entziehen. Auf der anderen Seite sorgten extreme Hitzewellen in Wechselwirkung mit immer stärkeren Regenfällen während der Monsunzeiten, in Kombination mit unzureichendem Wasser- und Abwassermanagement, für den Ausbruch von Krankheiten. Diese Situation beeinträchtige nicht nur die Produktivität der Fabriken, sondern vor allem auch die Gesundheit und Einkommenssituation der Textilbeschäftigten. Ein Teufelskreis.
„Unsere Tätigkeit hat sich daher von reinen Wasserprojekten zu einem breiteren Ansatz entwickelt, der ökologische Prävention und Gesundheitsinitiativen einschließt“, berichtet Jehia. „Besonders hervorzuheben sind unsere mobilen Kliniken, die eine wesentliche Rolle in der medizinischen Versorgung der ländlichen Gemeinden von Textilarbeitenden spielen, sowie unsere Maßnahmen zur Menstruationshygiene. Die Nachfrage nach unseren Projekten wächst ständig, und es ist eine Herausforderung, mit den zahlreichen Anfragen aus Bangladesch Schritt zu halten. Die Lage vor Ort ist besorgniserregend.“
Indirekte Auswirkungen auf Produktionsländer
Verzögern Ausfälle bei der Produktion die Lieferungen, suchen Unternehmen nach alternativen Produktionsstätten. Reparaturen von beschädigter Infrastruktur und Investitionen in hitzebeständige und überschwemmungssichere Anlagen treiben die Produktionskosten in die Höhe. Darüber hinaus verursachen Anpassungsmaßnahmen wie die Implementierung von Kühlsystemen oder die Entwicklung von Notfallplänen zusätzliche finanzielle Belastungen für die Unternehmen. Diese gestiegenen Kosten in Produktion und Logistik können letztendlich zu höheren Endpreisen führen. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nicht zwangsläufig ein Argument für niedrige Preise ist, sondern aufzeigt, wie klimabedingte Herausforderungen die Gesamtkosten und damit die Preisdynamik beeinflussen. Eine solche Entwicklung kann die Nachfrage beeinträchtigen und möglicherweise die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Marken mindern, was die Notwendigkeit einer umsichtigen und nachhaltigen Anpassung unterstreicht.
Baumwollproduktion stark gefährdet
Cotton 2040 ist eine Initiative verschiedener Akteure, die den Übergang zu einer nachhaltigen, globalen Baumwollindustrie unterstützen wollen. Zu diesen Akteuren gehören Produzenten, Lieferanten, Marken (wie Burberry) und Einzelhändler, Umweltorganisationen (etwa WWF), Textilsiegel (wie Fairtrade) sowie Vertreter von Bäuer:innenverbänden. Baumwolle, die rund 31 Prozent der weltweit genutzten Textilfasern ausmacht und etwa 2,5 Prozent des anbaufähigen Ackerlands beansprucht, spielt eine zentrale Rolle in der Textilproduktion von 80 Ländern. Mit einem Marktwert von 50 Milliarden US-Dollar unterstützt der Baumwollsektor fast 350 Millionen Menschen weltweit. Cotton 2040 fördert den Austausch zwischen diesen Stakeholdern, um gemeinsam die ökologischen und sozialen Herausforderungen der Baumwollproduktion zu bewältigen.
Bis zum Jahr 2040, so die Prognose eines Cotton-2040-Berichts vom Juni 2021, werden 40 Prozent der Baumwollanbauregionen voraussichtlich verkürzte Anbauperioden aufgrund steigender Temperaturen erleben. Dürren könnten demnach die Hälfte der weltweiten Ernte betreffen. Dies zeigt, wie sehr sich der Klimawandel auf die Baumwollpreise auswirkt. Ein weiteres Beispiel ist Brasilien, der weltweit zweitgrößte Exporteur von Baumwolle. Im August 2022 hatte das Land mit extremer Hitze und Dürre zu kämpfen; der Ertrag der Baumwollernte sank um fast 30 Prozent. Gleichzeitig stieg der Preis für Baumwolle um 30 Prozent.
Diese globale Perspektive unterstreicht die Bedeutung von Geschäftsmodellen wie dem der Remei AG, die mit etwa 3.000 Biobaumwoll-Kleinbäuer:innen in Zentralindien direkt zusammenarbeitet. Marion Röttges, Co-CEO der Remei AG, beschreibt die lokalen Auswirkungen des Klimawandels: „Wir sehen vor Ort merkliche Veränderungen. So hat sich in den letzten 20 Jahren die Anbausaison für Biobaumwolle in Zentralindien deutlich verkürzt. Die Biobaumwollernte war in den letzten Jahren entweder starken Überschwemmungen oder Trockenheit ausgesetzt. Die Niederschläge sind unberechenbar geworden und die Sommertemperaturen in unserer Anbauregion erreichen bis zu 48 Grad. Es ist deshalb umso wichtiger für die Kleinbäuer:innen, dass sie für die Biobaumwolle einen verlässlichen Zugang zu unserer transparenten Lieferkette für rückverfolgbare Biobaumwolltextilien haben.” Durch ihre langjährige Arbeit seit 1991 sichert die Remei AG Landwirt*innen nicht nur Abnahmegarantien und Prämienzahlungen für Biobaumwolle zu, sondern fördert auch nachhaltige Praktiken, die in Zeiten des Klimawandels unerlässlich sind.
Die Auswirkungen von Ernteausfällen betreffen vor allem Baumwollbäuer:innen im Globalen Süden, die etwa 90 Prozent der weltweiten Produzent:innen ausmachen. Die Herausforderung der veränderten klimatischen Bedingungen kann zu signifikanten Einkommensverlusten führen. Laut einem Beitrag in Anthropology & Medicine von 2021 können die Folgen noch weiter reichen: zwischen 1995 und 2018 haben demnach fast 4.000.000 Landwirt:innen in Indien aufgrund finanzieller Not nach Missernten Selbstmord begangen. Das entspricht etwa 48 Selbstmorden pro Tag.
Andere Baumwollanbaugebiete, die großen Risiken durch Extremwetter ausgesetzt sind, umfassen Teile Nord-Sudans, Senegals und des südlichen Malis in Afrika sowie Gebiete im Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan.
Maßnahmen wie die Anpassung der Aussaatzeiten, verbesserte Bewässerungstechniken und präzise Klimavorhersagen können Landwirt:innen dabei unterstützen, sich auf die veränderten klimatischen Bedingungen einzustellen. Doch ohne eine deutliche Verringerung der Treibhausgasemissionen, die maßgeblich zur globalen Erwärmung beitragen, wird der Klimawandel weiterhin Dürren und Hitzewellen verstärken und dazu führen, dass Regionen, in denen bisher Baumwolle angebaut wurde, zukünftig nicht mehr dafür geeignet sind. Cotton 2040 betont daher die Notwendigkeit eines fairen Übergangs in andere landwirtschaftliche Bereiche für Bäuer:innen sowie soziale Sicherheitsnetze durch die Staaten, aber auch Berufsverbände und eventuell sogar Gewerkschaften.
Ein interessantes Instrument in diesem Zusammenhang ist das Climate Risk Tool. Entwickelt von der Initiative Cotton 2040 in Zusammenarbeit mit Expert:innen aus Umweltwissenschaft und Agrarforschung, zielt es darauf ab, zentrale Klimarisiken für Baumwollanbaugebiete weltweit sichtbar zu machen und dient als Informationsquelle für alle Akteure der Branche – von Baumwollbäuer:innen über Textilhersteller:innen bis zu Modeunternehmen. Das Tool soll auf datenbasierte Risiken aufmerksam machen, Diskussionen über faire Anpassungsstrategien in Beschaffungsprozessen und ein tieferes Verständnis für die komplexen Wechselwirkungen zwischen Baumwollanbau und Klimawandel anregen.
Investitionen in klimaresistente Infrastruktur
Die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen zwingt Unternehmen, ihre Risikomanagementstrategien zu überdenken. Dies beinhaltet eine Neubewertung der geografischen Verteilung von Produktionsstätten, um Risiken besser zu streuen und die Resilienz der Lieferketten zu stärken. Um die Auswirkungen extremer Hitze zu minimieren, kommen hitzereflektierende Materialien im Bau, effiziente Kühlsysteme und Grünflächen zur Kühlung des lokalen Mikroklimas zum Einsatz.
Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Überschwemmungen investieren Produktionsländer und Unternehmen in den Bau von Hochwasserschutzanlagen und die Verbesserung der Drainagesysteme um Fabriken. Dies schließt auch die Errichtung von Produktionsstätten auf erhöhtem Gelände oder die Anhebung bestehender Einrichtungen ein, um sie vor Flutwasser zu schützen.
Bei der Verbesserung der Resilienz gegen Überschwemmungen können Unternehmen vom Delta-Plan der Niederlande lernen, einem weltweit anerkannten Hochwasserschutzprogramm. Dieses umfasst Deiche, Sturmflutwehren und Pumpstationen, die das Land vor Überschwemmungen schützen. Ähnliche Maßnahmen, wie die Errichtung von Produktionsstätten auf erhöhtem Gelände oder verbesserte Drainagesysteme, können Produktionsländer und Unternehmen vor den zunehmenden Klimarisiken bewahren. Auch Städte wie Bangkok und New Orleans haben bereits in vergleichbare Projekte investiert, um ihre Anfälligkeit für Überschwemmungen zu reduzieren.
Ergänzend dazu hat Bangladesch mit dem Bangladesh Delta Plan 2100 einen eigenen umfassenden Plan entwickelt. Dieser zielt darauf ab, das Land resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, wie Überschwemmungen, Zyklonen und dem Anstieg des Meeresspiegels, zu machen. Der Plan umfasst Strategien für den Bau und die Verstärkung von Deichen, die Verbesserung der Wassermanagement- und Entwässerungssysteme sowie Initiativen für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und urbaner Gebiete.
Neues Arbeitsrecht im Angesicht der Klimakrise?
Eine gerechte Verteilung der Kosten und Risiken ist entscheidend für nachhaltige Strategien in der Bekleidungsindustrie. Dies umfasst die Einführung transparenter Preismodelle, die die tatsächlichen Kosten der Nachhaltigkeitsmaßnahmen berücksichtigen, sowie gezielte Investitionen in die Gemeinschaften, die auf die Bekleidungsproduktion angewiesen sind. Die Frage, wer für diese Kosten aufkommen soll, ist zentral. In der Praxis sollte eine faire Aufteilung zwischen Herstellern, Produzenten und auch den Endkund:innen angestrebt werden. Hersteller und Marken können durch höhere Einkaufspreise dazu beitragen, Produzenten durch Investitionen in nachhaltige Technologien und Arbeitsbedingungen. Aktuell ist die Last der Kosten oft ungleich verteilt: der Großteil der finanziellen Belastung lastet auf den Lieferanten und Arbeiter*innen in den Produktionsländern. Um dies zu ändern, bedarf es eines verstärkten Engagements der gesamten Lieferkette. Auch staatliche Regulierungen und internationale Abkommen sind wichtig, um Mindeststandards zu setzen und eine gerechte Verteilung der Anpassungskosten zu fördern.
Die Förderung sozialer Schutzmechanismen für Beschäftigte in der Textilindustrie, einschließlich Krankenversicherung, Einkommenssicherheit bei Arbeitsausfall und Unterstützungsleistungen im Katastrophenfall, ist entscheidend. Diese Maßnahmen helfen, die Resilienz der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu stärken. Unternehmen sollten Hitzeaktionspläne entwickeln, die Richtlinien für Arbeitszeiten, Pausenregelungen und Zugang zu Kühlräumen bei extremen Temperaturen festlegen. Die Bereitstellung von ausreichend Trinkwasser und die Schulung der Mitarbeitenden in Erster Hilfe bei Hitzeschlag sind ebenfalls Teil dieser Strategien. Die Schulung der Arbeitskräfte im Umgang mit extremen Wetterbedingungen und die Sensibilisierung für die Risiken des Klimawandels sind ebenfalls entscheidend. Dies umfasst die Ausbildung in Evakuierungsplänen, Notfallreaktionen bei Überschwemmungen und die Anwendung von Sicherheitsprotokollen bei Hitzewellen.
Ein Blick in die Praxis
Das Arbeitsrecht in Kambodscha zeigt sich in Bezug auf klimabedingte Arbeitsfragen eher unbestimmt. Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben für bezahlte Pausen, Krankheitsurlaub, Entgeltfortzahlungen bei Arbeitsausfall oder generelle Rechte bei Arbeitsunterbrechungen. Trotz drei Jahrzehnten intensiver Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bleibt das arbeitsrechtliche System in Kambodscha vergleichsweise schwach entwickelt.
Im Gegensatz dazu zeichnet sich das Arbeitsrecht in Vietnam durch seine ausgesprochene Detailgenauigkeit und Strenge in Bezug auf klimaangepasste Arbeitsbedingungen aus. Dies umfasst eindeutig definierte Grenzwerte für Arbeitstemperaturen, Regelungen für bezahlte Pausen und Krankheitsurlaub, Entgeltfortzahlungen in Fällen von höherer Gewalt sowie das Recht, gefährliche Arbeiten abzulehnen.
Freiwillige und private Regelwerke orientieren sich üblicherweise an diesen nationalen Rechtsstandards. Jedoch zeigen Erfahrungen aus Ländern wie Bangladesch, Pakistan und Indien, die regelmäßig mit extremer Hitze und schweren Überschwemmungen konfrontiert sind, dass die vorhandenen globalen, sowohl rechtlich bindenden als auch freiwilligen Standards nicht ausreichen, um den realen Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt effektiv zu begegnen.
Risiken nehmen zu, Maßnahmen noch nicht
Die Klimakrise stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Bekleidungsindustrie dar, insbesondere für Arbeiter:innen, Hersteller:innen und die gesamte Produktionskette in tropischen und subtropischen Regionen. Die Auswirkungen – von sinkenden Exporteinnahmen über den Verlust von Arbeitsplätzen bis hin zu gesundheitlichen Risiken – nehmen stetig zu. Obwohl die Notwendigkeit von Maßnahmen offensichtlich sein sollte, zeigt die Realität, dass nicht alle Akteure in der Modeindustrie ihre Dringlichkeit erkennen und entsprechend handeln. Zu oft werden Anpassungsmaßnahmen auf oberflächliche Programme für das Wohlbefinden der Arbeiter:innen reduziert oder als einmalige Projekte und nicht als Teil einer umfassenden Strategie gesehen. Die Entwicklung von resilienten und nachhaltigen Produktionsketten ist nicht nur eine ethische Verpflichtung gegenüber den Textilbeschäftigten und den betroffenen Gemeinschaften, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Industrie selbst.
Geschrieben von Medina Imsirovic, zuerst veröffentlicht am 1.3.2024 auf fashionchangers.de